Public Netbase - Eine politische Kontroverse
Im Jänner 2006 hat die Streichung der Finanzierung durch die Stadt Wien das Institut für Neue Kulturtechnologien/t0 endgültig gezwungen, die erfolgreiche Medienkultur-Institution Public Netbase und den internationalen Forschungs- und Projektbetrieb einzustellen.
Im Jänner 2006 hat die Streichung der Finanzierung durch die Stadt Wien das Institut für Neue Kulturtechnologien/t0 endgültig gezwungen, die erfolgreiche Medienkultur-Institution Public Netbase und den internationalen Forschungs- und Projektbetrieb einzustellen. Damit verbunden ist auch der Verlust der Räumlichkeiten für Organisation, Archiv und Veranstaltungen. Diesem Ende der Public Netbase ist eine zwölfjährige Geschichte voraus gegangen, die von zahlreichen Konflikten und kulturpolitischen Auseinandersetzungen geprägt war.
Schon die Anfänge des Jahres 1994 in gemeinsamen Räumen mit dem Depot standen im Zeichen einer neuen kritischen Kulturpraxis, die schon damals aufgrund des emanzipatorischen Verständnisses der Nutzung von Neuen Medien keinen gängigen Normen entsprach. Dennoch fand diese frühe Tätigkeit bei Kunst- und Kulturschaffenden großes Interesse, die damit erstmals die Möglichkeit vorgefunden haben, sich mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien vertraut zu machen und freien Zugang zum Internet zu erhalten. Einführungsworkshops und begleitende Vorträge erfreuten sich großer Beliebtheit und binnen kurzer Zeit versammelten sich mehr als 1.000 NutzerInnen auf der t0-Plattform. Besonders signifikant waren die stets eindrucksvollen Zugriffszahlen, die Public Netbase schon sehr früh zu einem der weltweit bekanntesten Kulturservern werden ließ.
Auf dieser Basis war es möglich, mit der Einrichtung eigenständiger Räumlichkeiten im früheren Messepalast (heute Museumsquartier) für eine intensive Belebung des in den 90er Jahren noch völlig desolaten Areals zu sorgen. Zu diesem Zeitpunkt wurde Public Netbase ein viel geschätzter Partner in der Allianz mit anderen, im Museumsquartier angesiedelten Institutionen. Mit einem regelmäßigen Veranstaltungsprogramm sowie künstlerischen Projekten und Interventionen im öffentlichen Raum (wie z.B. Flesh Machine und Intergalactic Conference) wurde ein vielfältiges Publikum angesprochen, das den sozio-kulturellen Charakter des Projekts nachhaltig prägte.
Die daraufhin folgenden Konflikte müssen vor allem auch im Kontext des Kulturkampfs der rechtsextremen FPÖ unter Jörg Haider gesehen werden. Dieser richtete sich gegen kritische Stimmen der zeitgenössischen Kunst und nahm 1998 auch Public Netbase ins Visier. Auslöser war eine Veranstaltungsserie, die sich aus feministischen Perspektiven mit dem Thema Zensur und Pornographie im Internet beschäftigte. Die FPÖ nahm den Titel "sex.net. Sex, Lies and Internet" zum Anlass, die angesehene Arbeit von Public Netbase zu verunglimpfen und zu kriminalisieren. Dies kam in Flugblättern, TV-Konfrontationen, Pressekonferenzen sowie parlamentarischen Debatten zum Ausdruck, die bewusst NS-Jargon gegen so genannte "Entartete Kunst" übernahmen. Letztlich mussten die Gerichte damit befasst werden, die Jörg Haider, vertreten durch den späteren Justizminister Dieter Böhmdorfer, eine Wiederholung seiner Behauptungen unter Strafandrohung untersagten.
Dessen ungeachtet wurde die Projektarbeit mit Ausstellungen, Konferenzen und Interventionen wie z.B. "Robotronika" und "Information Terror" fortgesetzt. Mit "Period After" setzte Public Netbase 1998/1999 ein Zeichen für die internationale Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher Medien zur Zeit des Krieges im ehemaligen Yugoslawien und bot zahlreichen MedienaktivistInnen der betroffenen Region Ressourcen und Arbeitsgrundlagen in Wien.
Erste Vorboten eines politischen Rechtsrucks waren schon im August 1999 zu erkennen, als im Museumsquartier eine neue Geschäftsführung eingesetzt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Zusammenarbeit aller Institutionen und Gruppen mit der Leitung der Betriebs- und ErrichtungsgesmbH. noch weitgehend partnerschaftlich und sorgte für ein Klima, in dem sich künstlerische und kulturelle Vielfalt entwickeln konnte.
Vor allem durch den Wahlerfolg der Haider-FPÖ, spätestens aber mit der Jahreswende 1999/2000 und der darauf folgenden Regierungsbildung mit der ÖVP wurde den mit dem Museumsquartier einst verbundenen Hoffnungen ein jähes Ende bereitet und auch eine zukünftige Einbindung von Public Netbase jeder Grundlage beraubt. Kritische Initiativen wurden mannigfach Schikanen sowie vertragsrechtlichen Unsicherheiten ausgesetzt, und letztlich kriminalisiert, um sie aus dem Areal zu vertreiben.
Diese Entwicklung sollte den Regierungswechsel fortan generell kennzeichnen. Die ÖVP-Kulturverantwortung betrieb eine Politik der Beseitigung kritischer und unliebsamer Projekte. Public Netbase geriet als Technik- und Kommunikationsplattform der nunmehr als "Internet-Generation" bezeichneten Protestbewegung besonders ins Fadenkreuz. Der letztlich gänzlichen Streichung jeder Basisfinanzierung durch die Bundesregierung gingen Monate andauernde ergebnislose Betriebs- und Finanzprüfungen sowie der Widerruf wichtiger internationaler Projektgelder voraus, die als Beitrag zur Kulturhauptstadt Brüssel 2000 längst zugesichert worden waren.
Vor diesem Hintergrund erklärte sich die Stadt Wien bereit, die durch das Vorgehen der Bundesregierung drohende Absage des EU-Projektes abzuwenden, und die damalige Finanzstadträtin stellte die erforderlichen Mittel zur Verfügung. Das in Wien damals von der ÖVP geführte Kulturressort weigerte sich aus Rücksichtnahme auf die national-konservative Bundesregierung, die dringend benötigte Auszahlung der Gelder durchzuführen, und weitete stattdessen die Welle kulturfeindlicher Diffamierungen auf die Wiener Kulturpolitik aus. Letzten Endes musste die Abwicklung über das SP-Ressort für Jugend und Bildung erfolgen.
Eine im Jahr 2001 durch zahlreiche internationale Proteste herbei geführte Vereinbarung sollte auf Vermittlung der Stadt Wien den Verbleib von Public Netbase im Museumsquartier sichern. Schon 10 Monate später wurde diese Abmachung ohne jeglichen Widerstand der städtischen Kulturpolitik missachtet, damit wurde die Phase der räumlichen Improvisation zum Dauerzustand. Gleichzeitig haben sich alle Befürchtungen in Bezug auf das MQ bestätigt, das sich immer mehr als Ort für Konsum- und Spektakelkultur erwies.
Die Forderung nach Standorten für eine zukunftsweisende Kunst- und Kulturentwicklung rückte dadurch erneut ins Blickfeld. Der Karlsplatz im Zentrum Wiens, der auf Wunsch des Bürgermeisters zu einem Kunstplatz umgestaltet werden sollte, bot die Möglichkeit, ein Zeichen gegen den repräsentativen Kulturalismus der rechtskonservativen Bundesregierung zu setzen. Darüber hinaus versprach das damals gemeinsam von SPÖ und Grünen ausgearbeitete Programm der Wiener Stadtregierung ernsthafte Anstrengungen im Bereich Kultur und Medien.
Im Sommer 2003 wurden Protestmaßnahmen notwendig, um die Stadt Wien an die Umsetzung dieser bislang völlig unerledigten Programmpunkte zu erinnern. Insbesondere das Mediencamp am Karlsplatz sowie die Manifestationen der FreeRePublic-Soundpolitisierung sorgten für breite Unterstützung dieser Anliegen. Dies machte den Karlsplatz auch zum geeigneten Rahmen für künstlerischen Interventionen und Medienprojekte wie u.a. Nikeground, "Bürgerinitiative Öffnet den Karlsplatz!" und System-77CCR.
Tatsächlich wurde schon im Jahr 2002 ein Angebot der Wiener Stadtplanung an Public Netbase heran getragen, im Zuge der Umbauarbeiten des Karlsplatzes und der U-Bahnanlagen neue Räumlichkeiten zu erhalten. Die auf die voran gegangenen kritischen Aktivitäten zurückzuführende Streichungen von Fördermitteln auch im Bereich der Stadt Wien 2003/2004 bedeuteten jedoch einen schweren Rückschlag, der die Planung für einen neuen Standort erheblich erschwerte und erste Einschränkungen im Tätigkeitsfeld der Public Netbase nach sich gezogen hat.
Die Weigerung des SP-Kulturstadtrats, die Grundlagen der laufenden internationalen Projektaktivitäten zu sichern und bereits zugesagte Ko-Finanzierungen auszuzahlen, erzwang im Herbst 2004 die Einstellung des Public Netbase Internet-Service-Providings für tausende Kunst- und Kulturschaffende. Davon betroffen waren auch Workshop- und Vermittlungsangebote sowie öffentliche Services. Es wurde damit unumgänglich, das Profil der Aktivitäten an die Kürzungsentwicklung anzupassen, was sich auch in einem Wechsel in nochmals kleinere Räumlichkeiten niederschlug. Dieser erzwungenen Reduktion des Leistungsumfangs wurde auch durch eine Namensänderung Rechnung getragen. Aus Public Netbase wurde Netbase!
Zu Beginn des Jahres 2006, nur wenige Monate nach der Eröffnung in den neu adaptierten Räumen sowie einem international viel beachteten Projekt in Bangalore/Indien wurde der erfolgreichen Medienkultur-Institution der endgültige Entzug aller Förderungen aus dem Kulturressort der Stadt Wien mitgeteilt.